Räusperzwang

Vielen Sprecherinnen und Sprechern ist es kaum bewusst, dass sie sich ständig räuspern, meist kurz bevor sie etwas sagen müssen. Von Hals- Nasen-Ohrenärzten wird dann häufig vom „Räusperzwang“ gesprochen und es wird geraten, das Räuspern konsequent zu unterdrücken. Husten sei besser für die Stimme.

Was ist dran an der Schädlichkeit des Räusperns?

Tatsächlich ist das Räuspern nicht gut für die Stimme. Bei jedem Räuspern werden die Stimmlippen sehr stark aneinander gedrückt und dann wird Atemdruck aufgebaut, um Schleim zu entfernen. Dies geschieht aber beim Husten ebenfalls. Der Kontakt beim Husten ist zeitlich geringer, weshalb sich wohl die landläufige Meinung durchgesetzt hat, dass dies weniger schlimm sei und dann bei Verschleimung zum Husten geraten wird. Der Atemdruck ist aber beim Husten sehr viel stärker. Fakt ist, dass permanentes Husten die Stimme viel stärker belastet als Räuspern. Und dass man – wenn man ganz sanft räuspert – den Schleim ebenfalls entfernen kann und die Stimme weniger belastet als beim Husten. Am Besten ist es aber, wenn man es erst mit Schlucken probiert – mit und ohne Getränk – damit bekommt man den Schleim ebenfalls oft schon heruntergeschluckt. Jedenfalls ist es wirklich schwierig, mit einer verschleimten Stimmritze frei zu sprechen. Die Reinigungsfunktion durch sanftes Räuspern oder im besten Falle Schlucken ist oft nötig, damit man den Schleim loswird und wieder eine freie Stimme hat. Leider reagieren die Schleimdrüsen auf zu festen Räuspern oder Husten mit einer neuen Schleimproduktion, um die maltetrierten Schleimhäute mit neuem Schleim geschmeidig zu halten. Daher ist auch der Rat, nicht ständig zu räuspern, nicht falsch – denn manchmal verteilt sich der Schleim beim Sprechen und Singen auch wieder oder löst sich von selbst von den Stimmlippen und kann dann später geschluckt werden.

Wann wird ein Räuspern zum Räusperzwang?

Wenn man sich ständig räuspert, obwohl man keine Erkältung mehr hat, wird ein Räuspern unsinnig und man spricht von einem Räusperzwang.
Als Klischee kennt man dies, dass jemand ans Mikrofon tritt, sich erst einmal räuspert und dann beginnt zu sprechen.
Vielfach wird dieser Räusperzwang oder Räuspertick zur Belastung. Ständig räuspert man sich unwillkürlich, manchmal fällt es einem selbst nicht einmal auf, und man wird von der Umgebung darauf aufmerksam gemacht. Dieser Automatismus, das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben oder einfach machtlos zu sein, ist es, warum man diesem Phänomen eine psychische Komponente unterstellt und man von einem „Zwang“ spricht.

Was sind die Ursachen für einen Räusperzwang?

Vielfach wird ständiges Räuspern psychisch eingeordnet. Dies kann der Fall sein, in den meisten Fällen ist dies aber nicht die Ursache oder nicht die alleinige Ursache. Vielfach stecken Stimmprobleme dahinter. Wenn man die Stimme stark belastet und die Stimme klingt teilweise rau, dann reizt man durch den vermehrten Andruck der Stimmlippen auch die Schleimhäute. Dies führt zu einem Kitzelreiz im Hals, den man gerne durch Räuspern loswerden möchte. Hier hilft Stimmtherapie, den Atemdruck und die Festigkeit des Stimmlippenschlusses zu reduzieren, damit die Schleimhäute nicht mehr unter Druck geraten.
Aber es ist auch sinnvoll zu schauen, welchen sonstigen Einflüsse die Schleimhäute im Kehlkopf ausgesetzt sind, dass ein Kitzelreiz entsteht.

Ätherische Öle und andere Einflüsse

Viele Menschen, die einen Räusperzwang haben, haben auch begonnen, sich mit Lutschpastillen aller Art zu helfen. Gerade Lutschpastillen mit ätherischen Ölen wie Pfefferminze oder Eukalyptus trocknen die Schleimhäute aus und reizen diese. Solche Bonbons sollten nur bei akuter Verschleimung genutzt werden und auch dann sind sie oft viel zu stark mit ätherischen Ölen versetzt und greifen die Schleimhaut daher mehr an, als dass sie nutzen. Auch medizinische Produkte wie Gelorevoice (ein wohlklingender Name, welcher eine freie Stimme ohne Veränderung der Stimmtechnik verspricht) sind oft nicht hilfreich, da sie die Stimmlippen feucht halten sollen. Wenn man bereits verschleimt ist, sind sie keine gute Alternative.

Rauchen und Alkohol und andere giftige Substanzen

Auch Rauchen und Alkoholdämpfe sowie Lösungsmittel (z.B. bei der Arbeit als Maler und Lackierer) können die Schleimhäute reizen.
Rauchen und Alkohol kann auch zu organischen Stimmveränderungen wie z.B. einem Reincke-Ödem oder im schlimmsten Fall zu Kehlkopfkrebs führen. Daher sollte ständiges Räuspern auch ernst genommen werden und ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden, um etwaige organische Ursachen abzuklären.

Einflüsse aus der Ernährung

Auch Essen kann sich auf eine Reizung der Schleimhäute auswirken. Dies gilt zum Beispiel für für zu scharfes Essen oder Knoblauch. Diese trocknen die Schleimhäute aus und können einen Kitzelreiz auslösen.
Auch Reflux kann die Schleimhäute reizen. Eine Refluxerkrankung entsteht häufig durch falsche Ernährung, teilweise auch durch Stress (z.B. durch Daueranspannung im Bauch, welcher auf den Magen drückt). Auch hier ist es wichtig, die Ursache zu beseitigen, damit der Kitzelreiz und damit der Räusperzwang aufhört.

Verspannungen

Spannungen im Kiefer, im Nacken und im Bereich der Einhängemuskulatur des Kehlkopfs können ebenfalls Missempfindungen im Kehlkopf auslösen. Wenn man häufig einen angespannten Hals mit hervortretenden Adern beim Sprechen hat, ist es neben Stimmbildung oder Stimmtherapie sinnvoll, sich hier physiotherapeutische oder ostheopatische Hilfe zu suchen.

Psychische Ursachen

Verspannungen im Halsbereich können auch psychische Ursachen haben. Bei Angst oder dem Bedürfnis sich zu schützen, zieht man den Kehlkopf hoch und engt die Rachenringmuskulatur ein und verspannt im Bereich der Stimmlippen. Man bekommt einen Kloß im Hals.
Vielfach versucht man die Enge, die man im Hals spürt, durch Räuspern wieder loszuwerden, gerade bevor man spricht. Dies ist der Klassiker bei nervösen Menschen, die plötzlich ans Mikrofon treten sollen: mit einem Räuspern versuchen diese, die Stimme von den Verspannungen zu befreien. Hier kann die psychointegrale Arbeit der Stimmig-sein-Methode helfen, die psychischen Ursachen für die Verspannungen herauszufinden. Ebenfalls hilfreich ist die parallel stattfindende Physiotherapie oder Osteopathie, um die Verspannungen mal rein körperlich zu lösen; dann fällt das Erlernen einer neuen Stimmgebung umso leichter.